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Interview

Elif Tunc von NextGen HR: Ist der Fachkräftemangel nur eine Ausrede?

HR-Abteilungen stehen häufig vor strukturellen Herausforderungen. Denn oft mangelt es den Führungskräften im Personalwesen an den speziellen Fähigkeiten, die für effiziente Rekrutierungsprozesse unabdingbar sind. Darüber hinaus weisen viele HR-Abteilungen eine langsame Arbeitsweise auf, die insbesondere die Einstellung der idealen Kandidaten verhindert. Um genau diese Probleme dauerhaft lösen zu können, hat Elif Tunc einen innovativen Ansatz entwickelt, die die Prozesse innerhalb der HR revolutionieren wird. Unternehmer Deutschlands stellt sie dieses Konzept in einem exklusiven Interview vor.

Elif Tunc von NextGen Human Ressources im Interview

Hallo und herzlich willkommen bei Unternehmer Deutschlands Elif Tunc. Du hast auf deinem Karriereweg einige Hürden genommen und aus den vielen tollen und unterschiedlichen Anstellungen in großen Konzerne, kleinen Betrieben und Mittelstandsunternehmen deine ganz eigenen Lehren gezogen. Im September 2022 erschien dein Buch „Karrieremodelle in Unternehmen”.

Zunächst erzähl doch bitte, wie deine Karriere-Welt bis dahin und weiterhin funktioniert und warum du klassische Bewerbungen nicht zeitgemäß findest.

Mein Karriereweg hat mich durch eine Vielzahl von Branchen und Unternehmensgrößen geführt, von globalen Konzernen bis hin zu kleinen und mittelständischen Betrieben. Diese vielfältigen Erfahrungen haben meine Sicht auf traditionelle Bewerbungsprozesse tiefgreifend geprägt.

Unter anderem fiel mir auf, dass insbesondere Personalverantwortliche mit akademischem Hintergrund dazu neigten, umfangreiche schriftliche Bewerbungen einzufordern. Doch in unserer schnelllebigen digitalen Ära sind solche Methoden schlicht und ergreifend veraltet. Bewerber bevorzugen schnellere und direktere Wege der Kommunikation.

Mit meinem Buch biete ich dieser Problematik einen Ansatz zur Lösung an. Er verbindet verschiedene Aspekte der Karriereplanung – wie Jobtitel, Rollenbeschreibungen, Weiterbildungsmöglichkeiten und Gehaltsstrukturen – zu einem integrierten System. Dieses Modell fördert eine effizientere und zielgerichtete Personalentwicklung und -anwerbung, angepasst an die heutigen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes. Und das ganz ohne Bewerbungsmappen.

“Wenn du heutzutage aufgefordert wirst, ein umfangreiches Anschreiben per Post und Einschreiben bei einem Unternehmen einzureichen, dann ist das ein Zeichen, dass das Unternehmen möglicherweise veraltete Prozesse pflegt.”

Diese Beobachtung hat mich dazu inspiriert, über dynamische, wiederkehrende Prozesse nachzudenken, die sich ständig weiterentwickeln und anpassen, ähnlich einer endlosen Kette, die sich kontinuierlich bewegt. Daraus entstand die Idee einer zyklischen Entwicklung. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die fortlaufende Schulung der Entscheidungsträger im Personalwesen, um Bewerbungsverfahren dauerhaft effektiver und zeitgemäßer zu gestalten.

Denn durch den heutigen Arbeitnehmermarkt müssen Unternehmen in der Lage sein, schnell und flexibel zu agieren, um erfolgreich gutes Personal zu gewinnen und langfristig zu binden.

Du bietest für Personalabteilungen und besonders für die nächste Generation der Personalführungskräfte mit NextGen eine Online-Plattform an. Wie war dein Weg in die Selbstständigkeit? 

Ich habe ursprünglich mit einer Ausbildung in der Bank begonnen, aber schnell gemerkt, dass das irgendwie nicht meine Welt war. In München habe ich begonnen, für einen großen Konzern zu arbeiten. Ich habe schon in München gewohnt. Mein Mann stammt aus München.

Schon damals hatte das Unternehmen eine große Fluktuation, sodass am Ende selbst die Mitarbeiter in der Personalabteilung von den zahlreichen Misserfolgen frustriert waren. Darin sah ich meine Chance.

Dank einer tollen Chefin, die meinen Perfektionismus noch verfeinerte, aber auch ihrem Antrieb mich weiter zu fördern, erhielt ich die Chance mich in die Koordination der Personaler einzuarbeiten.  Ich habe damals im Personalwesen so gut wie alles miterlebt, stellte mir aber immer die große Frage: “Was machen denn die Personaldienstleistungen denn anders als die Inhouse-Personaler?”.

Also habe ich mich bewusst entschieden, in die Personaldienstleistungs-Branche zu gehen. Der Job war schnell gefunden, aber es dreht sich den ganzen Tag alles um die Akquise. Das langweilte mich und erfüllte auch nicht meine Vorstellungen von einer guten HR.

Da kam mir der Zufall mit einem Wechsel in einen Riesenkonzern im “Silicon Valley” von München zu Hilfe. Ein japanisches Unternehmen im Bereich der IT Dienstleistung. Ich habe da an einem Umstrukturierungsprozess teilgenommen. Offensichtlich machte ich das so gut, dass sie mich innerhalb des Unternehmens verliehen und so landete ich als Senior Consultant Recruiting in der Personalabteilung. Dort fügte ich mich in eine extrem konservative Struktur ein, die mir oft zeigte, wie unnötig lang sich Prozesse dadurch in die Länge zogen.

Inwiefern hat sich das bei dir bemerkbar gemacht?

Ganz einfaches Thema, du willst Instagram machen und allein die Abteilung hat zwei Jahre lang überlegt, ob sie einen Instagram-Account machen oder nicht. Das Tempo war mir einfach zu langsam und ich musste mich krass zurücknehmen. Aus meiner Sicht kann das dann auch mit der Weiterentwicklung nichts werden, wenn sich die Strukturen so stark selbst bremsen.

Und diese Erfahrung mündete dann in der Gründung von NextGen HR?

Nicht ganz. Mir war es wichtig, viele HR-Erfahrungen zu sammeln. So war ich auch im Bildungssektor tätig. Aber überall kamen immer wieder die gleichen Probleme auf den Tisch. Zu langsame Prozesse, starre Strukturen und eine gehemmte Veränderungsbereitschaft, die aber der heutige Arbeitsmarkt nun mal erfordert. Am schlimmsten war aber die fehlende Flexibilität bei dringend notwendigen Entscheidungen. Da wurde lieber das Verbreiten von Gerüchten geduldet, als dem Spuk ein Ende zu machen. Das vergiftete das Betriebsklima massiv, aber keine traute sich zu handeln. Vielleicht wussten sie auch nicht, wie.

Sogar Freelancing habe ich probiert, um auch mal die andere Seite kennenzulernen, da heute ja viele freie Mitarbeiter suchen. Das gab mir vor allem die Zeit in mich zu gehen und mich zu fragen, was ich wirklich machen wollte. Nach all den Erlebnissen im Personalwesen stand für mich fest: Ich baue mir eine Selbstständigkeit auf, und kämpfe gegen die bestehenden Defizite in den Personalabteilungen, die ich erleben musste.

Es ist dir ja ein Anliegen, die nächste Generation der Personaler aufgrund deiner Erfahrungen in eine neue Zukunft der HR-Kultur zu führen. Wie genau sieht das aus?

Es ist mir ein großes Anliegen, die nächste HR-Generation richtig abzuholen und darauf vorzubereiten, was sie erwarten wird. Dabei stütze ich mich auf meine umfassenden Erfahrungen, insbesondere als Gründerin und CEO von NextGen Human Resources.

Wir bieten bereits eine breite Palette an Online-Weiterbildungskursen an, die speziell auf die Bedürfnisse des Personalwesens zugeschnitten sind. Unsere Kurse decken ein weites Spektrum ab, von grundlegenden HR-Themen bis hin zu spezialisierten Bereichen wie Personalbedarfsplanung und Organisationsentwicklung. Zusätzlich bieten wir individuelle Beratungen für Unternehmen an, die ihre Personalabteilungen optimieren möchten.

Dabei liegt der Fokus auf der praktischen Anwendung aller Fähigkeiten und den richtigen Umgang damit im Arbeitsalltag. Denn so viel die Lehrbücher auch hergegeben haben mögen, in der Praxis treten nahezu täglich Situationen auf, die sich mit blanker Theorie nicht lösen lassen.

Unser Ziel ist es, die nächste Generation von HR-Experten mit praxisnahen Inhalten zu schulen, die auf unserer neuen Plattform bald verfügbar sein werden. Wir legen großen Wert darauf, dynamische, aktuelle und flexible Vorgehensweisen im Bewerbungs- und Einstellungsprozess zu vermitteln, die auf moderner Technologie basieren. Die Nutzung von digitalen Tools wie Smartphone-Apps, PCs und Tablets spielt dabei natürlich auch eine entscheidende Rolle, um die veralteten, theoretischen Abläufe zu überwinden.

Du stellst in diesem Zusammenhang ja die steile These auf. Sie lautet: “Fachkräftemangel ist eine Ausrede.“ Wie kommt es dazu?

Immer wieder höre ich von Unternehmen und Kollegen aus Personalabteilungen Klagen über den sogenannten Fachkräftemangel, besonders im IT-Sektor. Sie berichten von Schwierigkeiten, genügend Bewerbungen zu erhalten und müssen häufig Active Sourcer einstellen, die sich ausschließlich darauf konzentrieren, Kandidaten anzuschreiben.

Denn trotz guter Stellenanzeigen und zahlreichen Bewerbungen stecken im Nachgang noch zu langwierige Prozesse dahinter, die die Motivation der potenziellen Kandidaten dämpft. Erst werden sie gelockt mit großen Angeboten, wie frischem Obst und toller Work-Life-Balance, dann vergehen aber Wochen, bis sie überhaupt mal eine Rückmeldung erhalten. In den meisten Fällen eine unpersönliche Absage.

Wenn ich das sehe, möchte ich lautstark darauf aufmerksam machen: “Das Problem liegt nicht bei den Kandidaten, sondern bei den Unternehmen und ihren oft unrealistischen Anforderungen.” Es wird Zeit, dass Unternehmen aufhören, Bewerber lediglich nach ihren Papierqualifikationen, in den umständlich angeforderten Bewerbungsmappen, zu beurteilen. Denn alle Bewerber haben sich die Mühe gemacht und sind einen Schritt auf das Unternehmen zugegangen. Haben sich damit auseinandergesetzt, Zeit investiert. Wo liegt an diesem Punkt das Problem, nicht gleich nach Bewerbungseingang den Bewerber anzurufen und gemeinsam zu definieren, ob er ins Team und auf die Stelle passt oder nicht?

Doch das ist meist noch nicht alles, was ich erlebte. Ein weiterer großer Punkt stellen unangebrachte Vorurteile dar. Ich wurde mal von einer Kollegin gefragt, ob ich mir nicht mal einen Kandidaten mit ausländischem Namen ansehen könnte, da sie bezweifelte, dass dieser ausreichend Deutsch spreche. Ich nahm mir die Bewerbungsunterlagen vor und stellte fest: Der Kandidat war jedoch in Deutschland geboren und aufgewachsen. Mit einem Blick von nicht einmal zwei Minuten bestand für mich keinerlei Zweifel, dass die sprachlichen Qualifikationen ausreichen würden. Allerdings war auch klar, dass sich noch keiner die Mühe gemacht hatte, einen Blick in die Unterlagen zu werfen. Der erste Eindruck wurde nur aufgrund eines Namens gewonnen und hat direkt Assoziationen ausgelöst, die einen Bewerber fast ins Abseits gestellt hätten.

Aber genau solche Vorurteile sind nicht nur unbegründet, sondern auch schädlich für das Unternehmen. Sie untergraben die eigentliche Professionalität der Personalabteilungen. Aus meiner Sicht muss hier dringend ein Umdenken in der Personalrekrutierung stattfinden.

Und wie wird NextGen HR diese Problematik angehen?

Unser Ziel bei NextGen HR ist es, eine umsetzbare und praxisnahe Ausbildungsressource für alle HR-Verantwortlichen zu bieten, die sich von traditionellen, theoriebasierten Ansätzen abhebt. Wir streben danach, die Inhalte so einfach und direkt anwendbar wie möglich zu gestalten. Im Grunde eine Mischung aus Suchmaschine und Tutorial-Plattform.

Es ist nicht mehr ausreichend, sich allein auf das eigene theoretische Wissen und den akademischen Abschluss zu verlassen, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, Mitarbeiter zu binden und ein Unternehmen personell stark aufzustellen.

NextGen HR wurde ins Leben gerufen, um eine Wissensbasis zu schaffen, die direkt aus den langjährigen Praxiserfahrungen und Herausforderungen im Personalwesen schöpft. Im Gegensatz zu den vielen Influencern, die Theorien verbreiten, ohne selbst tiefgreifende Erfahrungen im Personalbereich zu haben, bringe ich als Gründerin einen fundierten Hintergrund mit. Und genau diesen lasse ich direkt in NextGen HR einfließen, um realitätsnahe, greifbare Lösungen für Personaler und Führungskräfte zu bieten.

In der Zukunft planen wir, die Plattform zu erweitern und spezielle Angebote für CEOs und HR-Manager zu entwickeln. Unter anderem zu den Themen: Effektive Gestaltung der Karriereförderung, richtige Führung von Mitarbeiter und situativ richtiges Handeln in Praxissituationen. Wir müssen uns von rein theoretischen Ansätzen lösen und uns von den unzuverlässigen ‚Erkenntnissen‘ der Influencer-Welt distanzieren.

NextGen HR existiert, um Personalverantwortliche im deutschsprachigen Raum mit den notwendigen Werkzeugen auszustatten, damit sie in der dynamischen Welt des modernen Arbeitsmarkts erfolgreich agieren können. Es geht darum, echte, praktische Fähigkeiten zu vermitteln, die sofort im Berufsalltag angewendet werden können und somit einen echten Unterschied machen.

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