Interview
Dr. Saeed Masouleh im Interview: „Migräne hat ihren Ursprung im Kiefer“

Migräne – eine Erkrankung, die Millionen Menschen in Deutschland das Leben schwer macht. Laut dem Robert Koch-Institut leiden rund 14,8 % der Frauen und 6,0 % der Männer an den teils unerträglichen Schmerzen, die häufig als Folge von Stress, genetischer Veranlagung oder einem ungesunden Lebensstil angesehen werden. Doch was, wenn die Ursache für die Migräne nicht im Kopf, sondern im Kiefer liegt?
Dr. Saeed Masouleh ist überzeugt: Bei vielen Migränefällen spielt eine unerkannte Biss-Störung oder CMD eine große Rolle, da diese sowohl das Nervensystem als auch die Muskulatur des gesamten Körpers belasten kann. Als erfahrener Kieferorthopäde hat er eine Methode entwickelt, die darauf abzielt, die Biss-Störung als möglichen Faktor für Migräne zu berücksichtigen – ohne dass Patienten dauerhaft auf Aufbiss-Schienen angewiesen sind.
Im Interview stellt Dr. Masouleh seinen innovativen Therapieansatz vor und spricht darüber, wie er bereits vielen Migränepatienten helfen konnte, ihre Lebensqualität zurückzugewinnen. Zudem gibt er Einblicke in die physischen und psychischen Herausforderungen, mit denen Migränebetroffene konfrontiert sind und erklärt, warum die Zusammenarbeit mit Neurologen für ihn ein wichtiger Schritt in die Zukunft ist.
Dr. Saeed Masouleh im Interview
Herzlich willkommen bei Unternehmer Deutschlands, Saeed! Du hast dich auf die Behandlung von Migräne nach einem ganz neuen Ansatz spezialisiert. Wie kam es dazu?
Nach meinem Studium an der Charité und während meiner Spezialisierung auf die Kieferorthopädie fand ich eine Anstellung in einer Praxis bei meinem, wie ich ihn heute bezeichne, Mentor. Er hatte bereits damals die Erkenntnis, dass viele körperliche Beschwerden und Schmerzereignisse auf Probleme mit dem Kiefer zurückzuführen waren. Ich bemerkte zu dieser Zeit, dass eine ganze Reihe unserer Patienten, die aufgrund von Kiefergelenkbeschwerden infolge einer Biss-Störung (CMD) zu uns kamen, unter anderem über Migräne klagten.
Als ich begann, ihre Biss-Störungen zu korrigieren, berichteten viele Patienten nicht nur von einer Linderung der Kiefergelenkbeschwerden, sondern auch der Migräne. Das war der Punkt, an dem ich tiefer in die Materie eingetaucht bin. Seitdem habe ich mich darauf spezialisiert, die Verbindung zwischen Biss-Störungen und Migräne zu verstehen und zu behandeln.
Das klingt interessant. Aber was genau ist eine Biss-Störung und wie kann sie Migräne auslösen?
Eine Biss-Störung oder ein falscher Biss, auch Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) genannt, tritt auf, wenn die Zahnkontakte beim Zusammenbeißen nicht harmonisch aufeinander liegen. Normalerweise sollten unsere Zähne bündig beim Zusammenbiss schließen und schon kleine Unebenheiten können genau diese Kontakte behindern. Bemerkenswert ist, dass diese Zahn-Fehlkontakte oft weniger als 0,5 mm betragen und somit nicht nur von den Patienten unbemerkt bleiben, sondern auch von vielen Zahnärzten übersehen werden.
Das klingt banal, aber es hat massive Auswirkungen auf den Körper. Die Kaumuskulatur und die Kieferstellung geraten aus dem Gleichgewicht und das führt dazu, dass auch andere Muskelgruppen – im Kopf, Nacken, Schultern und sogar im Rücken – angespannt werden. Diese unnötige Muskelanspannung führt auf Dauer zu Verspannungen, besonders im Gesichtsbereich. Dabei können die verkrampften Muskeln den benachbarten Trigeminusnerv reizen – möglicherweise ein zentraler Faktor bei der Entstehung von Migräne. Viele Migränepatienten kämpfen jahrelang mit Symptomen, ohne zu wissen, dass die Ursache im Kiefer liegt.
Migräne gilt ja als sehr heftiges Schmerzerlebnis. Das kann nicht nur zur körperlichen Belastung werden, sondern auch psychische Folgen haben. Wie erleben deine Patienten die Belastung durch Migräne?
Das ist richtig, Migräne ist nicht einfach nur ein Kopfschmerz, sie kann das Leben unerträglich machen. Ich habe Patienten, die seit Jahren unter Migräne leiden und so verzweifelt sind, dass sie kaum noch Hoffnung haben. Die Schmerzen sind oft so stark, dass sie zu Schlafproblemen, Depressionen und sogar Suizidgedanken führen können.
Am problematischsten sehe ich aber die zu starke neurologische Betrachtung von Migräne. Sobald die ersten Schmerzerlebnisse auftreten, durchlaufen die Betroffenen einen wahren Ärztemarathon, um die Ursache dafür zu finden. Neurologen, Blutuntersuchungen, Physiotherapeuten – im Prinzip werden alle Register gezogen, bevor die zahnmedizinische Untersuchung als Lösung in Betracht kommt. Selbst in solchen Fällen kann die traditionelle Zahnmedizin den meisten Patienten nicht helfen, da nur wenige Zahnärzte über ausreichendes Wissen zum Thema Biss-Störung (CMD) verfügen. Diese behandeln die Patienten meist mit verschiedenen Arten von Schienen, die jedoch die zugrunde liegende Ursache der CMD, die fehlerhaften Zahnkontakte, nicht nachhaltig beseitigen können.
Dabei kämpfen die Betroffenen während der ganzen Zeit nicht nur gegen den Schmerz, sondern auch gegen die psychischen Folgen, die dieser mit sich bringt. Viele Patienten können ihr Leben nicht mehr richtig bewerkstelligen, weil die Erkrankung sie zu stark einschränkt. Entweder durch die auftretenden Anfälle oder die starke Medikation, die erforderlich ist, um den Schmerz überhaupt in den Griff zu bekommen.
Daher sehe ich es als zentrales Ziel meiner Arbeit, ihnen endlich wieder eine Perspektive zu geben und die Migräne durch Behandlung der Biss-Störung an der Wurzel zu packen.
Wie sieht deine Therapie konkret aus? Was unterscheidet sie von klassischen Aufbiss-Schienen?
Klassische CMD-Aufbiss-Schienen werden oft dauerhaft getragen, was die Symptome lindern kann, aber das Grundproblem nicht immer löst. Heutzutage werden die Schienen immer noch als eine Art Allheilmittel angesehen. Wer sich über eine Behandlung von Biss-Störungen, CMD oder Kieferproblemen informiert, stößt automatisch auf eben diese “Lösung”. Hinzu kommt, dass es verschiedene Arten von Schienen-Therapien gibt, die sich in Aufwand, Schienenform und Dauer unterscheiden. Die Kosten werden von Krankenkassen meist nur teilweise oder gar nicht übernommen.
Im Prinzip entsteht daraus wieder eine große Aufgabe, vor allem für die Betroffenen, die zwar mit den Schienen zurechtkommen, aber dennoch eine gewisse Lebensqualität einbüßen.
Meine Methode geht über die konventionelle Schienentherapie hinaus und hat das Ziel, die Zahnkontakte beim Zusammenbeißen langfristig harmonisch zu gestalten. Zunächst kommen selbstjustierende Schienen zum Einsatz, die den Unterkiefer in eine entspannte Position bringen. Der große Vorteil dieser Schienen liegt darin, dass sie keine Nachjustierung erfordern. Im nächsten Schritt werden die Zahnkontakte präzise korrigiert, entweder mithilfe speziell geklebter Aufbisse oder durch gezielte kleine Zahnbewegungen, sodass in den meisten Fällen keine Schiene mehr erforderlich ist.
Für Migränepatienten bedeutet diese Therapie, dass die durch Verspannungen der Kaumuskulatur hervorgerufene Reizung des Trigeminusnervs gelindert, bei einigen sogar beseitigt wird, was entweder zu einer deutlichen Verbesserung oder vollständigen Beseitigung der Migräne führen kann.
Inwiefern kannst du hier Ergebnisse oder Erfahrungen vorweisen, die deine Vorgehensweise untermauern?
Als Kieferorthopäde kommen die meisten meiner Patienten zunächst wegen Zahnfehlstellungen zu mir, nicht wegen Migräne. Dabei haben viele von ihnen Migräne, ohne zu wissen, dass diese mit ihren Zähnen zusammenhängen könnte. Im Rahmen meines Konzepts der ‚Ganzheitlichen Kieferorthopädie‘ korrigiere ich auch Biss-Störungen. Durch meine langjährige Erfahrung konnte ich zahlreichen Migränepatienten helfen, ein weitgehend schmerzfreies Leben zu führen. Besonders beeindruckend sind die Erfolge bei Patienten mit chronischer Migräne und schweren Anfällen, die trotz aller klassischen Therapien keine Linderung fanden und durch meine Behandlung nun schmerzfrei sind. Diese Erfahrungen motivieren mich, weiterhin an dieser Wissenslücke in der Medizin und Zahnmedizin zu arbeiten.
Und wie steht es in solchen Fällen um die Langfristigkeit? Konntest du die Erfahrung machen, dass deine Methode auch nachhaltig zu einer Verbesserung führen kann?
Ich arbeite nicht nur daran, die Biss-Störung zu korrigieren, sondern gebe meinen Patienten auch Werkzeuge für die Zukunft mit. Sie bekommen eine sogenannte „Notfallschiene“. Falls durch Stress oder andere Faktoren die Beschwerden wieder auftreten, können sie sofort selbst eingreifen und die Schiene zeitweise tragen. Außerdem betreue ich meine Patienten langfristig, um sicherzustellen, dass der Erfolg stabil bleibt.
Also erzielst du mit deiner Behandlungsart schon positive Effekte. Wie wirst du sie in der Zukunft weiterentwickeln?
Mein Ziel ist es, diese Methode weiter zu etablieren und natürlich noch mehr Menschen zu helfen. Ich arbeite aktuell auch mit einem befreundeten Neurologen zusammen, um die Effizienz meiner Therapie wissenschaftlich zu festigen und den Ansatz populärer zu machen. Es gibt viele Menschen, die von dieser Behandlung profitieren könnten, aber oft gar nicht wissen, dass ihre Migräne eben diese ganz andere Ursache haben könnte. Hier muss eine entsprechende Aufklärung erfolgen.
Zum Abschluss dieses sehr interessanten Interviews haben wir noch eine wichtige Frage: Was würdest du heute Migränepatienten raten, die sich schon aufgegeben haben?
Ich kann Betroffenen nur dringend empfehlen, dass sie die Hoffnung auf Linderung nie aufgeben sollten. Insbesondere allen, die schon viele Ansätze, einschließlich der neuen CGRP-Antikörper-Spritze, ohne nennenswerten Erfolg ausprobiert haben, rate ich, an den Kiefer und die Zahnkontakte zu denken. Eine Biss-Störung kann Migräne auslösen und meiner Erfahrung nach leiden fast alle Migränepatienten unbemerkt auch an CMD. Es gibt Wege, zumindest eine deutliche Verbesserung zu erreichen. Wichtig ist nur, dass sich niemand einfach mit den Schmerzen abfindet, denn Migräne kann eine wahre Belastung für den Körper sowie die Psyche sein und genau daran arbeite ich, um den Menschen dieses Leid nehmen zu können.
